21.09.2012 14:32 | pm

Mit Volldampf nach Augsburg

AUGSBURG/KÖNIGSBERG

Auch heutzutage wird ab und zu von einer „Abenteuerreise“ mit der Eisenbahn gesprochen, vor allem wenn die Klimaanlagen überfordert sind und durch allzu scharf kalkulierte Fahrtzeiten und mangelnde Vorhaltung von Ersatzmaterial die Verzahnung im Betriebsablauf durcheinander gerät. Dies waren alles keine Kriterien bei der kürzlichen Reise der in der Volkshochschule Königsberg angesiedelten Arbeitsgemeinschaft Modelleisenbahn mit einem nostalgischen Zug von Hersbruck zum Dampfbahnfest in Augsburg. In aller Morgenfrische stand der Zug mit der rauchenden und stampfenden fünffach gekuppelten Lokomotive der Baureihe 52 aus dem Jahre 1943 und elf Waggons verschiedenster Bauart und –jahre am Bahnsteig bereit. Die Königsberger Crew hatte dabei besonderes Glück, denn es bewahrheitete sich wieder einmal das Bibelwort „Die Letzten werden die Ersten sein“. Für sie wurde, da bei der Anmeldung schon alles belegt war, ein zusätzlicher Waggon eingeschoben und zwar ein Ersterklasse-Fernschnellzugwagen direkt hinter der Lok. Das war ein Vorzug, der sich vor allem bei der ausgedehnten Rückfahrt bewährte. Doch davon natürlich später. Auf jeden Fall war die Fahrt ein Genuß besonderer Art. Anstatt im mehr oder weniger gut klimatisierten ICE-Großraumwagen kaum merkbar durch die Lande zu huschen, waren die Fenster herunterzulassen, die Arme auf sie aufzulehnen, die Nase in Wind, Rauch, Ruß und Dampf zu stecken und die vorbeiziehende Landschaft in Ruhe zu betrachten. Und durch die eingeschränkte Spitzengeschwindigkeit des als Güterzuglokomotive konstruierten Triebfahrzeugs und verschiedene Halte, um dem Normalverkehr den Vortritt zu lassen, verlängerte sich die Genußfahrt noch zusätzlich. Die Ankunft im Bahnpark Augsburg erfolgte indes weitgehend plangemäß. Der Bahnpark Augsburg ist ein Eisenbahnmuseum auf dem Gelände des ehemaligen Bahnbetriebswerks. In den Lokschuppen und Werkstätten stehen diverse Fahrzeuge und Geräte aus vergangenen Eisenbahnzeiten und werden von engagierten Freizeitarbeitern liebevoll hergerichtet und gepflegt. Ganz in der Nähe dieser Anlage befindet sich ein mehrstöckiges Gebäude, das voll von Miniatureisenbahnen ist. Die war natürlich der erste Anlaufpunkt der Modellbahn-Freaks. Auf drei Etagen sind weitläufige Bahnlandschaften in allen Spurweiten und Epochen aufgebaut bzw. im Bau. Die HO-Anlage ist mit sage und schreibe 527 Weichen ausgestattet und soll bisher 1,4 Mio. Euro verschlungen haben. Da gingen natürlich den Königsbergern die Augen über, vor allem auch bei der Spur-1-Anlage im Untergeschoß. Besondere Eindrücke vermittelte die Parade der Dampflokomotiven mit Fahrzeugen allerlei Gattungen, die Vorführung einer Dampfmaschine und der Schaubetrieb in der Schmiede. Ein 2 m langer Gabelschlüssel von 84 mm Maulweite in einer bis 2007 eingesetzten französischen Ellok zog die Aufmerksamkeit eines Teilnehmers auf sich. Dieser erfuhr, daß die Umschaltung des Getriebes der Lok oftmals nicht recht funktionierte und der Lokführer deshalb mit diesem Werkzeug selbst den richtigen Zahn finden mußte. Derweil hatte das Team unserer Lok, die zwischendurch mit dem gesamten Zug zu Rundfahrten durch das Lechfeld eingesetzt war, Schwerarbeit zu leisten. Das Lager einer Schubstange lief aus und war heiß geworden. Die schweren Teile zu zerlegen war bei dem Traumwetter kein Vergnügen. Auch sah man einige Mannsbilder auf dem Tender schweißtriefend in den Kohlen herumstochern. Immerhin waren ja noch gut 180 km Rückfahrtstrecke zu bewältigen. Mit leichter Verspätung konnte der Führer der Lok 52 8195-1 am frühen Abend schließlich den Regler zur Rückfahrt öffnen, die zunächst ganz hoffnungsvoll verlief. Allerdings erwies sich die gute Stimmung dann doch etwas trügerisch. In Donauwörth mußte am Triebwerk kräftig nachgebessert werden, und auch weiterhin war angezeigt, nur mit verminderter Kraft zu fahren und immer wieder nach dem Rechten zu sehen. In Treuchtlingen nutzten deshalb zahlreiche Fahrgäste die Umsteigemöglichkeit auf einen Intercity, um schneller und überhaupt nach Hause zu kommen. Die Königsberger indes blieben eisern und ihren Firstclass-Coupés treu und kosteten das besondere Vergnügen und Abenteuer bis zur Endstation um 1 Uhr morgens aus.

 
 

 

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